Das Kräftespiel der Emotionen – Emotionen in Unternehmen
Emotionen sind in der Umsetzungskonzeption und insbesondere in der Umsetzung von Strategien, Veränderungen und Projekten der entscheidende Faktor.
Jeder weiß es von sich selbst, dass man nur mit intrinsischer Motivation, mit Passion und aus emotionaler Überzeugung eine Sache wirklich voranbringt. Und motiviert sind Sie nur, wenn Sie in einem Vorhaben für sich selbst einen Sinn erkennen und Ihre persönlichen Ziele und Interessen damit befriedigt sehen. Und diese Ansprüche sind meist nicht monetärer Art, sondern haben etwas mit der eigenen Entwicklung, Entfaltung, dem Wunsch nach Anerkennung und Status zu tun.
Täglich erlebe ich diesen Zusammenhang, den man als Umsetzungsmanager erkennen und sich zur Erreichung der gesetzten unternehmerischen Ziele zunutze machen sollte. Intrinsische Motivation der Beteiligten verleiht Umsetzungsprozessen Geschwindigkeit und schützt vor destruktiven Emotionen, die sich mindestens blockierend, wenn nicht vernichtend auswirken können. Um also mehr Schwung in die Umsetzung zu bekommen, gilt es sich mit den beiden Dimensionen Emotionalisierung und Entemotionalisierung auseinanderzusetzen (siehe Abb. 1).
Die Emotionalisierung setzt meiner Erfahrung nach am besten an den zwei Primäremotionen Freude und Neugier an, die man bei den entscheidenden Beteiligten aufspüren und im Sinne der gesetzten Ziele fördern und nutzen muss. Mit der Entemotionalisierung müssen Sie sich den Primäremotionen Angst, Neid und Frust stellen.
Emotionalisierung
§ Neugier in Unternehmen
Machen Sie sich die Neugier einzelner Beteiligter für Ihre Umsetzung zunutze: Wer kann es kaum erwarten, ein Zukunftsbild vom neuen Partnermodell zu entwerfen? Wer hat die richtige Haltung zu bestimmten Vorgehensweisen („Ich weiß nicht genau, wie das mit dem Werttreiber und der Reduktion der Komplexität geht, aber es interessiert mich!“). Gehen Sie Ihre einzelnen Spieler durch und fragen sich, wer worauf wie neugierig ist. Die Angst vor dem Neuen wird bei veränderungsbereiten Personen deutlich geringer ausgeprägt sein.
Nutzen Sie diese Neugier, indem Sie entsprechende Aufträge bzw. Teilprojekte mit hohen Freiheitsgraden dorthin verteilen und Sie können sich sicher sein, dass daraus etwas Gutes wird.
§ Freude in Unternehmen
Suchen Sie nach den Engagierten im Team.
- Bei welchen Beteiligten ist auf bestimmten Gebieten eine ausgesprochene Passion gepaart mit Kompetenz erkennbar?
- Wo und wie lässt sich diese Passion für den Umsetzungsprozess nutzen?
Diese ressourcenorientierte Denkweise wird in vielen Umsetzungsprojekten sträflich vernachlässigt. In einem Umsetzungsprojekt hatten wir beispielsweise einen IT-Gruppenleiter, der eine derartige Vertriebspassion hatte, dass wir ihn in ein Teilprojekt im Vertriebsbereich gegeben haben. Nicht nur, dass derartige Maßnahmen wunderbare Gelegenheiten sind, in der Organisation schlummernde Ressourcen und Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen, sie sorgen für ein wahres Momentum. Nehmen Sie sich die Zeit, diese Dinge zu durchdenken und zu überlegen, wie Sie die Umsetzung unter Nutzung dieser Emotionen und im Zweifel gegen bestehende Regeln oder Erwartungen innerhalb einer Organisation gestalten könnten. Ob Sie es dann genauso tun, sei dahingestellt. Die Überlegung ist es allemal wert.
§ Angst
In der Umsetzung wird Angst insbesondere durch drohende mangelnde Anerkennung, unzureichende Möglichkeiten, sich einbringen zu können, oder drohendem Statusverlust erzeugt und mündet in Tendenzen des Rückzugs, Abwehrhaltungen und Stillstands. Das Paradoxe daran ist, dass die meisten Ängste insofern unbegründet sind, als sie sich auf das als negativ und bedrohlich empfundene Unbekannte richten.
Ein geübter Umsetzungsmanager kann Ängste, vor allem dort, wo sie ihr Recht haben, in positive Umsetzungsenergie umwandeln, indem er dieser starken Emotion ihre Macht nimmt.
Eine Intervention, die einfacher ist, als sie sich anhört. Viele Umsetzungsmanager scheinen jedoch – um es offen zu sagen – zu feige, sich ihr zu stellen. Bei sauberer konzeptioneller Vorbereitung bekommen Sie relativ zügig einen Überblick darüber, an welchen Stellen innerhalb des Unternehmens sich etwas ändern wird und wie es sich ändern wird.
Und natürlich wird es in diesem Spiel auch Verlierer geben. Etwas anderes zu behaupten ist sinnlos, wiewohl es häufig getan wird, um die Motivation augenscheinlich aufrechtzuerhalten und die Emotionen zu beruhigen. Diese Rechnung geht jedoch nie auf, Ängste bleiben bestehen, saugen weiterhin Energie, da alle wissen, dass sich etwas verändern wird.
Daher gilt: Dort, wo Sie sich zu 80 Prozent sicher sind, wen die Umsetzung auf welche Art positiv oder negativ betreffen wird, sprechen Sie es genauso aus, so dass der/die Betreffende die Gelegenheit hat, sich darauf einzustellen – im Positiven wie im Negativen. Vermeidungsstrategien helfen hier weder dem anstehenden Prozess noch den negativ betroffenen Personen – im Gegenteil.
Selbstverständlich sind mir sämtliche Betriebsratsthemen in diesem Zusammenhang bekannt und mehrfach begegnet. Auch deshalb gilt: Stellen Sie sich diesen Dingen so früh wie möglich, binden Sie den Betriebsrat zu einem frühen Zeitpunkt im Sinne des Unternehmens ein und sorgen Sie für eine gemeinsame Umsetzungskultur.
§ Neid
Neid kann einerseits zu feindseligem, destruktivem Verhalten führen und in einer Umsetzung für negative zerstörerische Politik sorgen. Andererseits kann er eine Triebfeder darstellen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und einen Umsetzungsprozess ungemein befruchten. Auch für den Neid gilt: Setzen Sie sich mit ihm auseinander. Dort wo positives Neidpotenzial vorhanden ist, was in der Regel bei jüngeren Führungskräften der Fall ist (selbst unter gleichgestellten), etablieren Sie entsprechende Mentor-Partnerschaften, so dass diese Entwicklungen gefördert werden. Dort wo Neid zu negativer Politik führt bzw. führen kann, sind Sie gut beraten, ihm proaktiv entgegenzuwirken und mit entsprechenden Statusanerkennungen bzw. -ausstattungen zu kompensieren. Gelingt dies nicht oder ist dies nicht möglich, haben Sie keine andere Wahl als die Situation aufzulösen. So hatten wir in einer Umsetzung einen ständigen „Neid-Krieg“ zwischen der Konzernentwicklung und dem Konzerncontrolling, dem mit keinem Mittel beizukommen war, so dass letzten Endes im Controlling ein neuer Leiter ganz bewusst aus den Reihen der Konzernentwicklung benannt wurde.
Sie können es sich nicht erlauben, negativer Politik Raum zu geben.
§ Frust
Frust entsteht immer dann, wenn Energie investiert wird, aber nichts zurückkommt. In einem Umsetzungsvorhaben bedeutet das entweder, Sie kommen nicht voran und es entsteht dadurch ein Mangel an Energie für das Weitermachen. Oder Sie kommen zwar voran, aber es interessiert niemanden.
Verfährt man nach den bisher beschriebenen Prinzipien, so hat das Nichtvorwärtskommen seine Ursache lediglich in Überforderung, die nicht immer wirklich vermeidbar ist. Falsch ist es, hier noch mehr Druck aufzubauen. Sie müssen sich überlegen, wie Sie den Frust kompensieren und durch veränderte Rahmenparameter beseitigen können.
Grundsätzlich vermeidbar ist im Umsetzungsmanagement der zweite Aspekt: Frust entsteht, weil die investierte Energie niemanden interessiert. Übersetzt bedeutet dies: mangelnde Anerkennung und Belohnung von Fortschritten.
Gerade in deutschen Unternehmen gilt sehr häufig das Prinzip: „Nicht gemeckert ist genug gelobt.“ Eine fatale Fehleinschätzung. Es gilt jeden kleinen Fortschritt zu belohnen und zwar nicht monetär, sondern mit Anerkennung, aufrichtigem Interesse und der Einbindung in Themen, die diese Person emotional oder inhaltlich anspricht und interessiert.
Es ist hilfreich, sich in Form einer Emotionslandkarte für die entscheidenden Personen (in der Regel nicht mehr als fünf bis zwanzig bei großen Umsetzungsvorhaben) die fünf Emotionen zu vergegenwärtigen.
„Wovor hat die jeweilige Person Angst, auf was ist sie neidisch, was frustriert sie? Was macht diese Person neugierig, was macht ihr Freude?“
Sie werden aus solchen Überlegungen wertvolle Erkenntnisse erlangen und einschätzen können, wen sie auf welche Art mit welchen Dingen in der Umsetzung betrauen respektive wie Sie die Rollen und Verantwortlichkeiten verteilen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext existieren verschiedene Möglichkeiten, um entweder zu Emotionalisierung oder Entemotionalisierung zu kommen. Beispielsweise könnte man mit einem Teamessen mit dem Vorstand oder einer Präsentation der Projektergebnisse, die zu einer Statussteigerung des Projektleiters führt, positive Emotionalisierung erreichen. Entemotionalisierend kann man einwirken, indem man Katastrophenvorstellungen vorwegnimmt und damit bestehende Angst verringert. Auch können Angst, Neid und Frust so umgelenkt werden, dass sie als Emotionalisierungsfaktoren nutzbar sind.
Angst kann eine unglaubliche Kraft entstehen lassen für Dinge, die sonst nicht möglich sind.